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Briefing

Arbeitsrecht und Gaskrise: Welche Maßnahmen können Unternehmen jetzt zum Energiesparen ergreifen?

I. Einleitung

Die Energiekrise ist mittlerweile allgegenwärtig in Deutschland. Auch wenn die Gasspeicher momentan im Vergleich zum Vorjahr ein recht hohes Niveau aufweisen, steigen die Preise für Gas und Strom weiterhin teilweise sprunghaft an. Vervierfachungen oder Verfünffachungen der Gasrechnungen sind keine Seltenheit mehr. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine ist zudem unvorhersehbar, wie sich die Lage entwickelt. Gerade angesichts des erhöhten Gasbedarfs im Herbst und Winter ist es sinnvoll, wenn Unternehmen jetzt daran denken, wie Gas und Strom eingespart werden können.

Der erste Blogpost der Reihe widmete sich der Frage, ob Arbeitgeber auch dann, wenn es zu staatlichen Einschränkungen der Gasversorgung kommen sollte und deshalb z.B. die Produktion eingestellt werden muss, verpflichtet sind, das Entgelt für ihre Beschäftigten zu zahlen. Diesen Blogpost können Sie hier lesen.

In diesem zweiten Post der Reihe geht es darum, welche Maßnahmen Unternehmen treffen können, um Gas bzw. Energie zu sparen. In Betracht kommen dabei zum einen allgemeine Energiesparmöglichkeiten wie das Abschalten von Warmwasser und die Senkung der Raumtemperatur (dazu unter II.). Zudem bieten auch die „klassischen“ Instrumente des Arbeitsrechts wie die Anordnung von Homeoffice, Überstundenabbau durch Freizeitausgleich oder Betriebsferien die Möglichkeit, Energie zu sparen (dazu unter III.).

II. Allgemeine Energiesparmöglichkeiten

Arbeitgeber können von allgemeinen Energiesparmöglichkeiten wie einer Prozessoptimierung im Betrieb profitieren. Ganz aktuell eröffnet zudem eine neue Energiesparverordnung auch für private Arbeitgeber die Möglichkeit, Heizkosten durch das Absenken der Raumtemperatur in Arbeitsräumen zu reduzieren.

1. Prozessoptimierung

Wie in Privathaushalten gibt es auch in Unternehmen einige auf den ersten Blick kleinere Energiesparpotentiale bei täglichen Abläufen, die in der Summe viel ausmachen können. Dazu gehört etwa, bei Verlassen des Arbeitsplatzes das Licht sowie Computer oder andere Geräte im Stand-By-Modus auszuschalten. Zudem können in weniger genutzten Räumen wie etwa Fluren oder Toilettenbereichen Bewegungsmelder für das Licht installiert werden, um zu verhindern, dass das Licht über einen längeren Zeitraum nicht ausgeschaltet wird. Eine weitere Möglichkeit ist das Ausschalten von Warmwasser zum Händewaschen, da nach den Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR), welche die Arbeitsstättenverordnung konkretisieren, im Normalfall die Zurverfügungstellung von kaltem Wasser zum Händewaschen ausreicht (Ziff. 5.4 Abs. 2 ASR A4.1). Eine weitergehende Lösung könnte die Optimierung von Verbrauchsprozessen und/oder die lokale Stromproduktion sein. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger forderte etwa kürzlich die gesetzliche Förderung von Brennstoffwechseln (z.B. Gas zu Öl) innerhalb von Unternehmen. Bei Industrieunternehmen kann Prozesswärme zum Heizen der Büroräume verwendet werden. Für manche Unternehmen kann sich sogar die lokale Stromproduktion anbieten.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht können bei allen diesen Maßnahmen Beteiligungsrechte des Betriebsrates relevant werden: Verändern sich im Rahmen von Umbaumaßnahmen Temperatur- oder Lüftungsverhältnisse, hat der Betriebsrat etwa einen Unterrichtungsanspruch aus § 90 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Soll die arbeitnehmerseitige Nutzung der betrieblichen Stromversorgung geregelt werden, ergibt sich gegebenenfalls ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, weil dadurch das Ordnungsverhalten betroffen sein kann.

Unabhängig von Mitbestimmungsrechten von Betriebsräten hat es sich in den letzten Wochen und Monaten oft als hilfreich erwiesen, Betriebsräte in die Überlegungen zum Energiesparen frühzeitig einzubeziehen. Oft kommen aus dem Kreis der Betriebsräte weitere sinnvolle Vorschläge, wo sich Potenziale zum Energiesparen eröffnen. Auch für die – enorm wichtige – Kommunikation gegenüber der Belegschaft kann es sinnvoll sein, „den Betriebsrat an Bord zu haben“.

2. Erleichterung durch neue Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung

Wie für Privatpersonen gilt auch für Unternehmen: Wer weniger heizt, den schmerzen Preissteigerungen auch weniger stark. Zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer sind allerdings bestimmte Mindesttemperaturen einzuhalten. Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten legen z.B. mindestens 20° Celsius für körperlich leichte und überwiegend sitzende Tätigkeiten – also die „klassischen Bürotätigkeiten“ – fest (Ziff. 4.4 ASR A3.5). Entsprechend niedrigere Mindesttemperaturen gelten für stehende oder schwerere körperliche Tätigkeit. Die zum 1. September 2022 in Kraft getretene und für sechs Monate geltende „Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen“ (EnSikuMaV) senkt diese Mindesttemperaturen nun um jeweils ein Grad ab. Danach dürfen private Arbeitgeber die Temperaturen für die genannten klassischen Bürotätigkeiten auf 19° Celsius und auf bis zu 12° Celsius für körperlich schwere Tätigkeiten reduzieren. Während diese Temperaturen für private Arbeitgeber nur Mindestwerte sind, stellen sie für öffentliche Arbeitgeber gleichzeitig verpflichtende Höchstwerte dar (mit Ausnahmen etwa für medizinische Einrichtungen, Schulen oder Kindertagesstätten).

Daneben sieht die Verordnung weitere Maßnahmen zum Energiesparen wie etwa die Untersagung des dauerhaften Offenhaltens von Ladentüren im Einzelhandel oder des Betriebs beleuchteter Werbeanlagen zwischen 22 Uhr und 16 Uhr des Folgetages vor. Die darüber hinaus ab dem 1. Oktober 2022 geltende und auf zwei Jahre befristete „Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen“ (EnSimiMaV) beinhaltet zudem Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz von Heizungsanlagen und zur Energieeinsparung in der Wirtschaft. Eigentümer von Gebäuden und damit auch zahlreiche Arbeitgeber treffen dabei insbesondere Überprüfungs- und ggf. Optimierungspflichten hinsichtlich Heizungsanlagen und -pumpen.

III. Klassische arbeitsrechtliche Maßnahmen

Handlungsmöglichkeiten, welche die „klassischen“ arbeitsrechtlichen Instrumente betreffen, sind vor allem die Anordnung von Homeoffice, Überstundenabbau durch Freizeitausgleich oder Betriebsferien.

1. Anordnung von Homeoffice

Unlängst hat der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, vorgeschlagen, Arbeitgeber sollten weitestmöglich Homeoffice anordnen, damit die Belegschaft Räume nutzt, die ohnehin beheizt werden. Außerdem könnte durch den so entfallenden Weg zur Arbeit Energie gespart werden. Laut Angaben der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ birgt die Anordnung von Homeoffice deutschlandweit Einsparpotentiale im Gasverbrauch von bis zu fünf Prozent. Spätestens seit der Corona-Pandemie ist jedoch allgemein bekannt, dass Arbeitgeber nach jetziger Rechtslage grundsätzlich nicht berechtigt sind, eine Homeoffice-Tätigkeit einseitig anzuordnen – auch wenn dies ab März 2020 oft pragmatisch gehandhabt wurde. Der durch das Grundgesetz gewährleistete Schutz der Wohnung der Arbeitnehmer führt dazu, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers die Anordnung einer Homeoffice-Tätigkeit nicht umfasst. Etwas anderes gilt natürlich, wenn eine Tätigkeit im Homeoffice im Arbeitsvertrag vereinbart ist. Es bedarf also, entweder bereits im Vertrag oder in der konkreten Situation vereinbart, grundsätzlich einer einvernehmlichen Regelung zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Eine Ausnahme wird allenfalls für Szenarien diskutiert, in denen die Existenz des Unternehmens gefährdet ist. In Betrieben, in denen ein Betriebsrat existiert, hat dieser zudem bei der Entscheidung über das „Wie“ – nicht aber bzgl. des „Ob“ – ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG.

Bei der Einführung von Homeoffice drängt sich die Folgefrage auf, wer die Kosten des Mehrverbrauchs im Homeoffice trägt. Letztlich führt vermehrtes Homeoffice gerade nicht zum vollständigen Wegfall von Gas- und Stromkosten, sondern vielmehr zu deren Verlagerung auf die Arbeitnehmer. Wenn Arbeitnehmer verpflichtet sind, im Homeoffice zu arbeiten, kommt grundsätzlich ein Anspruch auf Erstattung der infolge von Homeoffice erhöhten Nebenkosten (inkl. Strom- und Heizkosten) aus § 670 BGB analog in Betracht. Schwierigkeiten ergeben sich bei der genauen Bemessung des Ausgleichsanspruchs. Denn zum einen umfasst der Anspruch aus § 670 BGB nur „erforderliche“ Aufwendungen. Zum anderen liegt eine praktische Herausforderung darin, diejenigen privaten Strom- und Heizkosten genau zu beziffern, die gerade infolge von Homeoffice erforderlich geworden sind. Um eine komplizierte Dokumentation zu vermeiden, kann sich aus Sicht der Arbeitsvertragsparteien eine Individualvereinbarung lohnen, etwa indem eine monatliche Pauschale bestimmt wird, die an die entsprechenden Arbeitnehmer gezahlt wird. Eine Entlastung für Arbeitnehmer und damit ggf. einen Anreiz für diese, aus dem Homeoffice zu arbeiten, enthält zudem das gerade beschlossene Jahressteuergesetz 2022, nach welchem die Homeoffice-Pauschale erhöht und entfristet wird. Steuerpflichtige können bereits jetzt für jeden Kalendertag, an dem sie ausschließlich zu Hause arbeiten, einen Betrag von fünf Euro geltend machen. Das ging allerdings bislang nur für maximal 120 Tage im Jahr und unterlag einer Befristung. Ab dem Jahr 2023 können Steuerpflichtige nun dauerhaft an bis zu bis zu 200 Tagen im Homeoffice einen Betrag von fünf Euro geltend machen. Damit erhöht sich der Maximalbetrag von bislang 600 Euro auf 1000 Euro pro Jahr.

2. Überstundenabbau durch Freizeitausgleich

Auch der Abbau von Überstunden durch Freizeitausgleich im Winter kann die Gas- und Stromrechnungen des Arbeitgebers entlasten, wenn dadurch die Anwesenheitszeiten im Betrieb erheblich reduziert werden können. Dafür gelten abseits der Sondervorschrift in § 17 Abs. 3 BBiG für Berufsausbildungsverhältnisse keine spezialgesetzlichen Vorgaben. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist für die Anordnung von Freizeitausgleich eine entsprechende kollektiv- oder individualvertragliche Vereinbarung erforderlich, nach der Überstunden durch Freizeitausgleich abgegolten werden können. Anders als in Fällen von Homeoffice besteht in diesen Fällen kein Anspruch der Arbeitnehmer auf Ersatz der entstehenden Mehrkosten nach § 670 BGB analog, da es sich nicht um Aufwendungen „zum Zwecke der Ausführung“ der arbeitsvertraglichen Pflichten handelt.

3. Anordnung von Betriebsferien

Noch mehr Einsparpotential birgt die Anordnung von Betriebsferien, also die vollständige Schließung eines Betriebs. Gerade in den kalten Monaten des Jahres ist der Gas-/Energieverbrauch in Büros üblicherweise besonders hoch, obwohl große Teile der Belegschaft in der Weihnachtszeit und den Tagen „zwischen den Jahren“ gerne Urlaub nehmen. Aus Sicht der Arbeitgeber kann es sich daher lohnen, in dieser Zeit den Betrieb ganz zu schließen und nicht für die wenigen verbleibenden Arbeitnehmer offen zu halten – vorausgesetzt, dies ist operativ möglich. Bei der Einführung von Betriebsferien ist in Betrieben mit Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG zu beachten. Denn bei Betriebsferien handelt es sich um allgemeine Urlaubsgrundsätze, deren Einführung der Mitbestimmung unterliegt und ggf. in einer Einigungsstelle durchgesetzt werden müsste. In betriebsratslosen Betrieben können Arbeitgeber Betriebsferien grundsätzlich kraft Direktionsrecht einführen. Dafür müssen sie entscheiden, den Betrieb aus betriebstechnischen, betriebswirtschaftlichen oder sonstigen Gründen für eine gewisse Zeit stillzulegen und den Arbeitnehmern des Betriebes während dieser Zeit Urlaub zu gewähren. Als Gründe für Betriebsferien kommen dabei erhebliche organisatorische wie finanzielle Vorteile für Arbeitgeber in Betracht, was bei erheblich gestiegenen Energiekosten durchaus denkbar ist. Auch wenn gesetzlich keine Obergrenze für Betriebsferien festgelegt ist, können nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts höchstens etwa 60 % des gesamten Urlaubsanspruches für die Betriebsferien verwendet werden. Wurden die Betriebsferien rechtswirksam festgelegt, stehen diese – von Härtefällen abgesehen – als dringende betriebliche Belange anderweitigen Urlaubswünschen der Arbeitnehmer entgegen.

IV. Fazit und Ausblick

Arbeitgebern stehen unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten offen, um Energie zu sparen. Bereits durch die Optimierung täglicher Prozesse wie dem Ausschalten von Licht und Stand-By-Geräten, durch das Herabsenken der Raumtemperatur und das Ausschalten von Warmwasser zum Händewaschen können gewisse Einspareffekte erzielt werden. Auch die Politik hat hierauf mit den beiden Energiesparverordnungen reagiert. Durch die bereits am 1. September 2022 in Kraft getretene EnSikuMaV werden die bisher geltenden Mindesttemperaturen für die Beheizung der Betriebsstätten um jeweils ein Grad abgesenkt. Aber auch die klassischen arbeitsrechtlichen Instrumente wie Homeoffice, Überstundenabbau und Betriebsferien erleichtern das Energiesparen. Zu bedenken sind in allen Fällen die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats, falls ein solcher besteht. Sinnvoll kann es zudem sein, die Möglichkeiten der Anordnung von Homeoffice, Überstundenabbau und Betriebsferien direkt beim Neuabschluss von Arbeitsverträgen zu regeln, um sich nicht hinterher über die wirksame Einführung streiten zu müssen.

Zum Schluss noch ein Ausblick auf unseren nächsten Beitrag: Wenn die hier beleuchteten Maßnahmen nicht ausreichend Abhilfe schaffen, stehen noch schärfere „arbeitsrechtliche Schwerter“ zur Verfügung. Unter welchen Voraussetzungen es infolge der Energiekrise zu Kurzarbeit und Kündigungen kommen könnte, wird Gegenstand des dritten Blogposts der Reihe sein.

Arbeitsrecht und Gaskrise Welche Maßnahmen können Unternehmen jetzt zum Energiesparen ergreifen
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