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Briefing

Das Erdgas-Wärme-Preis­bremsen­gesetz

Am 16. Dezember 2022 hat das geplante Erdgas-Wärme-Preisbremsegesetz (EWPBG) den Bundesrat passiert. Hintergrund der Initiative ist der von Olaf Scholz im September angekündigte „Doppelwumms“ aus Strom- und Gaspreisbremse und der daraufhin von der Expertenkommission Gas und Wärme im Oktober vorgelegte Vorschlag. Das EWPBG soll als Reaktion auf die massiven Preissteigerungen seit Beginn des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine finanzielle Entlastungen für Unternehmen und Verbraucher bringen. Deshalb enthält das EWPBG garantierte Höchstpreise für bestimmte Gaseinkaufkontingente. Dabei gelten verschiedene Regelungen für kleinere Verbraucher, insbesondere Privatpersonen und kleine und mittlere Unternehmen, und für Großverbraucher, insbesondere Industrieunternehmen. Finanziert werden die Entlastungen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds.

A. Wann kommt die Gas­preis­bremse?

Die Entlastungen für die Industrie sollen ab dem 1. Januar 2023 eingreifen und bis zum 31. Dezember 2023 wirken. Es besteht die Option einer Verlängerung bis Ende April 2024 durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung.

B. Für welche Unternehmen gilt die „Industrie-Gas­preis­bremse“?

Die auf Unternehmen mit besonders hohem Gasverbrauch zugeschnittenen Entlastungen gelten für Unternehmen, die

  • Gas für den eigenen Verbrauch kaufen,
  • im Wege einer registrierenden Leistungsmessung (RLM) beliefert werden,
  • mehr als 1,5 GWh Gas im Jahr an dieser Entnahmestelle verbrauchen,
  • Erdgas nicht für den kommerziellen Betrieb einer Strom- und Wärmeerzeugungsanlage beziehen, wenn es sich nicht um eine KWK-Anlage nach § 2 Nr. 13 und 14 KWKG handelt, und
  • das Gas nicht zur Erzeugung, Umwandlung oder Verteilung von Energie entnehmen und als Unternehmen Entlastungen von über 2 Mio. Euro in Anspruch nehmen, und
  • nicht als Wohnungsunternehmen, soziale oder Bildungseinrichtung o.Ä. in das Entlastungsregime für Kleinverbraucher einbezogen sind.

Für den 1,5 GWh-Schwellenwert ist der Jahresverbrauch maßgeblich, den der Messstellenbetreiber für das Kalenderjahr 2021 an der jeweiligen Entnahmestelle gemessen hat. Außerdem sind Krankenhäuser unabhängig vom Jahresverbrauch in die Regelung einbezogen.

Ein eigener Entlastungsmechanismus gilt für „Selbstbeschaffer“, also Unternehmen, die Gas für den eigenen Verbrauch oder den Verbrauch im eigenen Konzern in einen eigenen Bilanzkreis einspeisen. Für diese Unternehmen ist der für sonstige Gasverbraucher geltende Entlastungsmechanismus über den Erdgaslieferanten nicht praktikabel, da letzterem die an den jeweiligen Entnahmestellen des Endverbrauchers bezogene Gasmenge nicht bekannt ist. Ausgenommen von diesem Sondermechanismus sind Unternehmen, die Erdgas für die kommerzielle Strom- und Wärmeerzeugung beziehen, wenn sie nicht eine KWK-Anlage nach § 2 Nr. 13 und 14 KWKG betreiben und das Erdgas nicht ausschließlich für deren kommerziellen Gebrauch verwenden.

C. Welche Entlastungen sieht die Gas­preis­bremse vor?

Den unter die Entlastung für Industriekunden fallenden Unternehmen wird für 70% ihrer bisherigen Verbrauchsmenge – gemessen an ihrem Verbrauch im Jahr 2021 – ein Preis von 7 ct pro kWh (vor Netzentgelten, Messstellenentgelten und staatlich veranlassten Preisbestandteilen und einschließlich der Umsatzsteuer) garantiert. Die Entlastung ist unabhängig vom tatsächlichen Verbrauch im Jahr 2022 und 2023. Dadurch sollen Einsparreize erhalten bleiben.

Die Entlastung gilt sowohl für eine stoffliche als auch für eine energetische Nutzung des Gases. Lediglich kommerzielle Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen sind von den Entlastungen ausgeschlossen, um eine Gasverstromung nicht zu subventionieren. Ebenso wird für Betreiber einer KWK-Anlage die Entlastungsmenge um die zur Erzeugung von Kondensationsstrom und von Strom oder Wärme, die an Dritte veräußert werden, verwendete Gasmengen reduziert.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz darf per Rechtsverordnung die Berechnung des Entlastungsbetrages verändern. Die Anpassung soll, wenn überhaupt, spätestens bis zum 15. März 2023 geschehen und kann insbesondere aktuelle Marktpreisentwicklungen berücksichtigen.

D. Wie wird die Entlastung umgesetzt?

Die Entlastungsregelung verpflichtet Erdgaslieferanten, den von ihnen belieferten Unternehmen für jeden unter die Regelung fallenden Kalendermonat den entsprechenden Entlastungsbetrag gutzuschreiben und in der nächsten Rechnung zu berücksichtigen. Der Entlastungsbetrag berechnet sich nach der Differenz zwischen dem am Monatsanfang jeweils vereinbarten Arbeitspreis und dem Garantiepreis von 7 ct pro kWh.

E. Was gilt für „Selbst­beschaffer“?

Den sogenannten Selbstbeschaffern wird ebenfalls für 70% ihrer Jahresverbrauchsmenge 2021 der oben genannte Preis von 7 ct pro kWh garantiert, wobei auch hier der oben beschriebene Mengenabzug für Kondensationsstrom und veräußerten Strom und Wärme aus KWK-Anlagen gilt. Der Entlastungsbetrag für Selbstbeschaffer berechnet sich aus der Differenz zwischen dem garantierten Preis und ihren durchschnittlichen Beschaffungskosten für das im jeweiligen Kalendermonat verbrauchte Erdgas. Dabei sind zur Absicherung der Beschaffungskosten geschlossene Finanzkontrakte ohne Lieferverpflichtung zu berücksichtigen. Der Erstattungsanspruch ist allerdings pro Jahr auf die Brutto-Beschaffungskosten für die Monate, in denen Anspruch auf Entlastung bestand, begrenzt.

Die Selbstbeschaffer haben in Höhe des Entlastungsbetrages einen direkten Erstattungsanspruch gegen den Bund und außerdem einen Anspruch auf vierteljährliche Vorauszahlungen.

F. Darf das subventioniert erhaltene Gas weiter­verkauft werden?

Der Gesetzestext sieht kein ausdrückliches Weiterverkaufsverbot in Bezug auf Gasmengen vor, die Bemessungsgrundlage der Entlastung sind. Allerdings geht die Begründung zu § 7 Abs. 1 EWPBG davon aus, dass die Letztverbrauchereigenschaft eines Unternehmens entfällt, soweit es bezogene Gasmengen nicht selbst verbraucht, sondern weiterverkauft. Dasselbe dürfte für andere Formen der Weiterübertragung an andere – auch Gesellschaften innerhalb desselben Konzerns – gelten. Diese Begründung ist schlüssig, denn das EWPBG knüpft an die Letztverbraucherdefinition des § 3 Nr. 25 EnWG an. Letztverbraucher sind demnach solche Personen, die Gas für den eigenen Verbrauch kaufen, wobei es auf die Intention zum Zeitpunkt des Gasbezuges ankommt, nicht diejenige bei Vertragsschluss.

G. Welche Höchst­grenzen gelten für die Entlastung?

Die Entlastungen werden für Unternehmen nur bis zu gewissen – beihilferechtlich begründeten – Höchstgrenzen gewährt. Über die Höchstgrenzen hinausgehende Entlastungssummen sind nur auf Antrag und nach einer beihilferechtlichen Einzelnotifizierung an die Europäische Kommission mit deren Genehmigung vorgesehen. Als Entlastungssumme gilt dabei im EWPBG stets die Summe aller staatlichen Beihilfen aufgrund der Preissteigerungen für Strom, Gas und Wärme, die einem Unternehmen für alle seine Entnahmestellen vor dem 1. Januar 2024 gewährt werden.

Besondere Höchstgrenzen gelten für Unternehmen, für die eine Prüfbehörde ihre „besondere Betroffenheit von den hohen Energiepreisen“ festgestellt hat. Für sie darf die Entlastungszahlung nicht dazu führen, dass das EBITDA des Unternehmens im Entlastungszeitraum über 70% des EBITDA im denselben Kalendermonaten entsprechenden Zeitraum des Jahres 2021 steigt. Außerdem gilt für sie grundsätzlich eine absolute Höchstgrenze von 100 Mio. Euro und eine relative Höchstgrenze von bis zu 40% der krisenbedingten Energiemehrkosten. Als „besonders von hohen Energiepreisen betroffen“ gelten energieintensive Unternehmen, wenn sich ihr EBITDA im Entlastungszeitraum, ohne die Entlastungssumme, um 40% gegenüber dem EBITDA im den Kalendermonaten entsprechenden Zeitraum des Jahres 2021 verringert hat. Andere Unternehmen gelten als besonders betroffen, wenn sich ihr EBITDA im selben Zeitraum um 30% gegenüber dem entsprechenden Zeitraum 2021 verringert hat. Ausweislich der Gesetzesbegründung dürfen dabei jeweils nur zusammenhängende Zeiträume verglichen werden, um Missbrauch zu vermeiden.

Wenn die Prüfbehörde zusätzlich festgestellt hat, dass es sich um ein „energieintensives“ Unternehmen handelt, greift eine absolute Höchstgrenze von 50 Mio. Euro und eine relative Höchstgrenze von höchstens 65% der krisenbedingten Energiemehrkosten ein. Als „energieintensiv“ gelten Unternehmen, deren Energiebeschaffungskosten im Jahr 2021 mindestens 3% oder im ersten Halbjahr 2022 mindestens 6% ihres Umsatzes oder Produktionswerts ausmachten.

Die Höchstgrenzen steigen auf 150 Mio. Euro (absolut) und bis zu 80% der krisenbedingten Energiemehrkosten (relativ), wenn das Unternehmen besonders von den hohen Energiepreisen betroffen und energieintensiv ist und zu einer der in Anlage 2 zum EWPBG aufgezählten Branchen gehört.

Für alle anderen Unternehmen – außer solchen der Landwirtschaft und Aquakultur, die gesondert geregelt sind – gilt eine Höchstgrenze von 2 Mio. Euro und bis zu 100% der krisenbedingten Energiemehrkosten oder 4 Mio. Euro und höchstens 50% der krisenbedingten Energiemehrkosten.

Die relativen Grenzen beziehen sich immer nur auf das Einzelunternehmen. Die absoluten Höchstgrenzen gelten hingegen konzernübergreifend. Innerhalb eines Konzerns muss jedes Einzelunternehmen im Verbund die höchste einschlägige absolute Höchstgrenze nach folgendem Schlüssel anteilig einhalten: Erfüllen verschiedene Konzernunternehmen selbst die Kriterien einer höheren absoluten Höchstgrenze, wird diese Höchstgrenze unter ihnen anteilig aufgeteilt. Bei Konzernunternehmen, für die eine niedrigere Höchstgrenze gilt, wird diese niedrigere Höchstgrenze von der höchsten einschlägigen Höchstgrenze im Konzern abgezogen. Der Wortlaut dieses Aufteilungsmechanismus lässt unterschiedliche Lesarten zu, die zu divergierenden Ergebnissen für die jeweiligen Konzerngesellschaften führen. Hier besteht noch Konkretisierungsspielraum bei Anwendung der Regelung.

Unter mehrere Kategorien von Höchstgrenzen fallenden Unternehmen steht es allerdings nach der Entwurfsbegründung frei, die Kategorie zu wählen, deren absolute und relative Höchstgrenzen für sie am besten passen. So kann sich ein energieintensives und besonders von den hohen Energiepreisen betroffenes Unternehmen dazu entscheiden, trotzdem nicht die speziell auf solche Unternehmen zugeschnittene kombinierte Höchstgrenze von 50 Mio. Euro und 65% der krisenbedingten Energiemehrkosten in Anspruch zu nehmen, sondern auf die Kategorie für „nur“ besonders von den hohen Energiepreisen betroffene Unternehmen mit Höchstgrenzen von 100 Mio. Euro und 40% der krisenbedingten Energiemehrkosten auszuweichen.

H. Welche Pflichten gehen mit der Entlastung einher?

Mit der Inanspruchnahme der Entlastungsmaßnahmen geht insbesondere – nachdem zunächst eine Standorterhaltungspflicht diskutiert worden war – eine Arbeitsplatzerhaltungspflicht einher. Sie gilt für Unternehmen, die Entlastungen von insgesamt über 2 Mio. Euro beziehen: Sie müssen entweder eine tarifvertragliche Regelung oder Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung bis einschließlich April 2025 vorweisen oder 90% der zu Anfang Januar 2023 vorhandenen Vollzeitäquivalente bis Ende April 2025 erhalten. Andernfalls droht eine Rückforderung der über 2 Mio. Euro hinaus gewährten Entlastungen.

I. Boni- und Dividenden­verbot

Nachdem der erste Entwurf lediglich ein auf Rekapitalisierungsmaßnahmen nach § 29 Abs. 1 EnSiG erhaltende Unternehmen beschränktes Boni- und Dividendenverbot vorsah, geht das Gesetz in seiner beschlossenen Fassung weiter: Es verbietet für alle Unternehmen ab einer Entlastungssumme über 25 Mio. Euro Bonus- und Abfindungszahlungen an Mitglieder ihrer Geschäftsleitung und der Aufsichtsorgane bis zum Ende des Jahres 2023, sofern diese nach Anfang Dezember 2022 vereinbart worden sind. Außerdem darf die Grundvergütung für Mitglieder der Geschäftsleitung die vor dem 1. Dezember 2022 entrichtete Vergütung nicht überschreiten, nur ein Inflationsausgleich ist zulässig. Bei einer Entlastungssumme über 50 Mio. Euro ist neben jeglichen Bonus- und Abfindungszahlungen im Jahr 2023 die Auszahlung von Dividenden verboten.

J. Verzichts­option

Das EWPBG sieht außerdem bei einer Entlastungssumme über 25 Mio. Euro eine Verzichtsmöglichkeit vor: Unternehmen können bis zum 31. März 2023 formlos gegenüber der Prüfbehörde erklären, eine Entlastung aus der Strom-, Gas- und Wärmepreisbremse von über 25 Mio. Euro nicht in Anspruch nehmen zu wollen. Damit entgehen Unternehmen dem Boni- und Dividendenverbot sowie der Grundvergütungsgrenze.

Eine Möglichkeit zum vollständigen Verzicht auf die Entlastungen sieht das Gesetz nicht vor. Die Pflicht der Erdgaslieferanten zur Gutschrift des Entlastungsbetrages greift ohne einen Antrag des betroffenen Unternehmens ein. Unternehmen, die „Selbstbeschaffer“ sind, räumt das EWPBG allerdings den beschriebenen direkten Erstattungs- und Vorauszahlungsanspruch gegen den Bund ein. Ihnen dürfte damit offenstehen, die Entlastungen nicht in Anspruch zu nehmen, indem sie ihre Entlastungsansprüche nicht geltend machen.

Ein Verzicht auf die Entlastung kann insbesondere für größere Erdgasverbraucher opportun sein. Ihre Gaskosten liegen teilweise bereits monatlich weit oberhalb der maximalen jährlichen Entlastungsbeträge. Die mit einer Entlastung einhergehenden Pflichten wiegen dann im Gegensatz zum erhaltenen Nutzen gegebenenfalls schwer. Neben der Arbeitsplatzerhaltungspflicht zählt dazu, dass Unternehmen gegenüber ihren Lieferanten nach § 22 EWPBG eine Selbsterklärung zur wahrscheinlich auf sie anwendbaren Höchstgrenze abgeben müssen. Dazu ist eine verlässliche EBITDA-Prognose erforderlich, die gegebenenfalls kapitalmarktrechtliche Mitteilungspflichten auslöst. Außerdem müssen, falls sich nachträglich aufgrund einer anderen EBITDA-Entwicklung eine andere Höchstgrenze als einschlägig herausstellt, die gewährten Entlastungsbeiträge teilweise zurückgezahlt werden. Es können also Rücklagen in Höhe der gezahlten Stütze notwendig werden – bis zu 150 Mio. Euro.

Sollten größere Verbraucher die Gaspreisbremse nicht in Anspruch nehmen, könnte sich dies auf das allgemeine Preisniveau auswirken. Die industriellen Gasverbraucher stehen häufig am Anfang von Lieferketten, da sie Grundstoffe herstellen. Wenn gerade sie von den Entlastungen nicht profitieren, ist bei weiterhin hohen Gaspreisen mit einer anhaltenden Verteuerung von Grundprodukten zu rechnen, die entlang der Lieferkette weitergegeben wird.

Lesen Sie auch unser Briefing zur Strompreisbremse.

Freshfields - Briefing - Gaspreisbremse für Unternehmen mit hohem Gasverbrauch
(PDF - 199.9 KB)

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