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Briefing

BGH und Bundes­regierung: Betriebs­rats­vergütung bleibt im Fokus

I. Einleitung

Das Urteil des Bundes­gerichts­hofs (BGH) aus Januar dieses Jahres zu einer Untreue­straf­barkeit im Zusammen­hang mit der Gewährung einer unzulässig hohen Vergütung an Betriebsräte hat für erhebliches Aufsehen gesorgt (Urt. v. 10.1.2023 – 6 StR 133/22). Der 6. BGH-Strafsenat hat in seinem Urteil ausgeführt, dass der objektive Tat­bestand der Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) erfüllt sein könne, wenn ein Vorstand oder Prokurist einer Aktien­gesellschaft einem Betriebs­rats­mitglied ein Arbeits­entgelt bewilligt, das gegen das betriebs­verfassungs­rechtliche Begünstigungs­verbot verstößt. Insbesondere mit Blick auf Bonus­zahlungen sei ein vorsätzliches Handeln der mit der Vergütung befassten Personen naheliegend. Ein Verbotsirrtum, der eine Strafbarkeit entfallen lassen würde, sei bei sogenannten „Flanken­schutz­gutachten“ grundsätzlich nicht anzunehmen. Im Ergebnis hob der BGH die vom Land­gericht Braunschweig ergangenen Frei­sprüche auf (die wegen der Annahme fehlenden Vorsatzes ergangen waren) und wies die Sache an eine andere Straf­kammer des Land­gerichts Braunschweig zurück. Wann dort die Verhandlung beginnen wird, ist noch unklar.

Als Reaktion auf das BGH-Urteil haben viele Unternehmen die Vergütung ihrer Betriebsräte überprüft und angepasst (in vielen Fällen zuungunsten der Betriebsräte), was zu heftigen Reaktionen der Betroffen führte. Klagen der Betroffenen vor den Arbeitsgerichten sind bereits eingereicht worden.

Wohl um den Unmut der Betriebsräte abzufedern und um bestehende Rechts­unsicher­heiten zu beseitigen, hat die Bundesregierung angekündigt, die Betriebs­rats­vergütung gesetzlich neu regeln zu wollen.1  Ziel einer solchen Regelung soll nach Angaben des Bundes­arbeits­ministeriums sein, die Vergütung für Betriebs­rats­mitglieder auch künftig „fair, nachvollziehbar und rechtssicher“ zu gestalten. Eine Kommission aus Experten soll bis Anfang Juli 2023 konkrete Regelungs­vorschläge für eine Anpassung des Betriebs­verfassungs­gesetzes machen.

Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Auswirkungen des BGH-Urteils sowie die Pläne der Bundes­regierung.

II. Auswirkungen des BGH-Urteils

Der BGH hat in seinem Urteil festgestellt, dass der Untreue­tatbestand verwirklicht werden kann, wenn einem Betriebsrat ein Arbeitsentgelt bewilligt wird, das gegen das betriebs­verfassungs­rechtliche Begünstigungs­verbot verstößt.

Zum Hintergrund:

Zwei frühere Vorstände und zwei frühere Personalleiter einer Aktiengesellschaft waren vom Landgericht Braunschweig freigesprochen worden (Urt. v. 28.9.2021 – 16 KLs 406 Js 59398/16 (85/19)). Die Gewährung der verfahrens­gegenständlichen Vergütung an bestimmte Betriebsrats­mitglieder habe zwar den objektiven Tatbestand der Untreue erfüllt, jedoch sei den Anklagten kein vorsätzliches Verhalten nachzuweisen, da sich die Verantwortlichen auf die Einschätzung interner und externer Berater verlassen und irrtümlich angenommen hätten, mit ihren jeweiligen bewilligenden Entscheidungen ihre Vermögens­betreuungspflicht nicht zu verletzen.

Der BGH hat die Freisprüche aufgehoben und die Sache an eine andere Strafkammer zurückverwiesen. Das Landgericht sei zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass der objektive Tatbestand der Untreue durch die Zahlung eines zu hohen Arbeitsentgelts an Betriebsrats­mitglieder verwirklicht sein könne. Die Urteils­feststellungen des Landgerichts würden aber mit Blick auf den Vorsatz nicht den gesetzlichen Darstellungs­anforderungen genügen, weswegen eine andere Strafkammer neu zu beurteilen habe, ob die Angeklagten vorsätzlich handelten.

Das Urteil enthält sowohl in arbeits- als auch strafrechtlicher Hinsicht relevante Ausführungen.

1. Arbeitsrechtliche Inhalte

Der BGH betont, wie auch das Bundes­arbeitsgericht (BAG) in seiner ständigen Rechtsprechung, dass die Betriebsratstätigkeit unentgeltlich auszuüben sei, woran im Interesse der Unabhängig von Betriebs­rats­mitgliedern ein strenger Maßstab anzulegen sei. Die gesetzliche Regelung des § 37 Abs. 4 S. 1 des Betriebs­verfassungs­gesetzes (BetrVG), wonach das einem Betriebsrat zu zahlende Arbeits­entgelt nach der Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung zu bemessen ist, schließe eine Bewertung der Betriebsrats­­tätigkeit für Vergütungs­­zwecke aus. Daher sei es nicht möglich, auf die Gehalts­entwicklung bei einer sogenannten „Sonderkarriere“ abzustellen. Vergleichbar mit dem jeweiligen Betriebsrat sei vielmehr nur, wer im Zeitpunkt der Amtsübernahme eine ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt hat und dafür gleich qualifiziert war. Ein Aufstieg des entsprechenden Betriebsrats­mitglieds sei nur dann betriebsüblich, wenn die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen ebenfalls erreicht habe. Die Zahlung einer höheren Vergütung als nach der betriebsüblichen Entwicklung setze dagegen voraus, dass das entsprechende Betriebsrats­mitglied nur „in Folge der Amtsübernahme“ nicht in die entsprechend vergütete Position aufgestiegen sei. Darüber hinausgehende Vergütungs­erhöhungen verstießen gegen das Begünstigungsverbot aus § 78 S. 2 BetrVG. Daran ändere es auch nichts, wenn die betreffenden Betriebsräte etwa eine unternehmenseigene Management­prüfung bestünden, mit Vorständen und Managern „auf Augenhöhe“ verhandelten und als Betriebsrat komplexe Aufgaben wahrnähmen. Diese Maßstäbe würden nämlich unzulässig an die Betriebsrats­tätigkeit als solche anknüpfen.

Das bedeutet für die Praxis: Bei der Ermittlung der Vergütung des Betriebsrats anhand des § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG ist ein strenger Maßstab anzulegen. Eine höhere Vergütung als zu Beginn der Amtszeit kann grundsätzlich nur gewährt werden, wenn die Mehrzahl der mit dem Betriebsrat vergleichbaren Arbeitnehmer ebenfalls einen entsprechenden Aufstieg erreicht hat. Eine höhere als diese betriebsübliche Vergütung kann nur erfolgen, wenn der Betriebsrat nur aufgrund der Amtsübernahme nicht in die entsprechend höher vergütete Position aufgestiegen ist. Insbesondere im Hinblick auf die Zulässigkeit der Berücksichtigung von hypothetischen Karrieren gibt der Senat jedoch wenig Anhaltspunkte, sondern betont lediglich, dass auf die Betriebsrats­tätigkeit und deren Anforderungen selbst nicht abgestellt werden dürfe und eine höhere Vergütung aufgrund Berücksichtigung einer sog. Sonderkarriere einen Verstoß gegen das Begünstigungs­verbot darstelle. Dies ist insbesondere vor der Regelung des § 78 S.2 BetrVG problematisch, nach welchem Betriebsräte wegen ihrer Tätigkeit auch im Hinblick auf ihre berufliche Entwicklung nicht benachteiligt (oder begünstigt) werden dürfen. Dies führt zu erheblichen Unsicherheiten in der Praxis, da die Abgrenzung zwischen einer verbotenen „Sonderkarriere“ und einer wohl noch zulässigen hypothetischen Karriere (nach Maßgabe der diesbezüglichen BAG-Rechtsprechung) nicht immer leicht zu treffen ist.

2. Strafrechtliche Inhalte

Für die Praxis dürfte Folgendes maßgeblich sein:

Vergütungen an Betriebsträte, die gegen das betriebs­verfassungs­rechtliche Begünstigungs­verbot des § 78 S. 2 BetrVG verstoßen, begründen eine Verletzung der Vermögens­betreuungs­pflicht. Unerheblich ist hierbei, in welchem Umfang gegen das Begünstigungs­verbot verstoßen wurde. Auch ist unerheblich, in welcher Form die Begünstigung erfolgt, sodass beispielsweise auch die Auszahlung von unzulässigen Boni, die unzulässige Gewährung eines Dienstwagens und die Auszahlung von unzulässig hohen Betriebs­renten eine Verletzung der Vermögens­betreuungs­pflicht darstellen kann.   

Sollten signifikante Bonus­zahlungen an Betriebsrats­mitglieder erfolgt sein, die im Widerspruch zum betriebs­verfassungs­rechtlichen Begünstigungs­verbot stehen, ist dies nach dem BGH ein wichtiges Indiz für den Vorsatz.

Die Einholung von Rechtsrat führt zu keiner Aufhebung der Strafbarkeit, wenn dieser lediglich darauf abzielt, das vom Auftraggeber gewünschte Rechtsergebnis, festzuhalten (beispielsweise indem andere Rechtsaufassungen ausgeblendet werden – sog. „Flanken­schutz­gutachten“).

Zu guter Letzt: Neben der Untreuestrafbarkeit sind der Tatbestand des § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG (Begünstigungs- und Benachteiligungsverbot) sowie der Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) im Blick zu behalten. Letzterer, da Verstöße gegen das Begünstigungs­verbot nach herrschender Meinung dem steuerlichen Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG unterliegen.

III. Pläne der Bundes­regierung

Wie das Bundesarbeitsministerium mitteilte, ist eine gesetzliche Neuregelung der Betriebsratsvergütung geplant. Eine Kommission aus Experten soll am 15. Mai 2023 die Arbeit aufnehmen und bis Anfang Juli 2023 konkrete Regelungsvorschläge für eine Anpassung des Betriebs­verfassungs­gesetzes machen. Das Expertenteam ist hochkarätig besetzt: Den Vorsitz des Gremiums übernimmt der Präsident des Bundes­sozial­gerichts, Rainer Schlegel. Daneben werden Mitglieder die frühere Präsidentin des BAG, Ingrid Schmidt und der Bonner Jura­professor Gregor Thüsing sein.

Das Bundesministerium teilte hinsichtlich des Inhalts der planten Änderungen bereits mit, dass keine grundsätzliche Revision des Betriebsratsamtes geplant ist. Die Ehrenamtlichkeit und damit Unentgeltlichkeit des Betriebsratsamtes sollen bestehen bleiben. Ein „Betriebsrats­vergütungs­gesetz“ soll es also nicht geben. Vielmehr sollen die bestehenden Regelungen des Betriebs­verfassungs­gesetzes angepasst werden.

Wie eine Neufassung der bestehenden Regelungen aussehen wird, ist bislang unklar. Denkbar wäre aber die Normierung einer gesetzlichen Vermutungs­regelung, welche die Darlegungs- und/ oder Beweislast erleichtert, dass ein Betriebsrat lediglich „in Folge der Amtsübernahme“ nicht in eine entsprechend höher vergütete Position aufgestiegen ist und daher eine höhere Vergütung als nach der betriebsüblichen Entwicklung möglich ist.

IV. Fazit und Ausblick

Das Thema Betriebsrats­vergütung wird die Rechtspraxis noch lange im Atem halten.

Insbesondere werden sich die Arbeitsgerichte verstärkt mit der Thematik auseinanderzusetzen haben. Vermutlich werden einige Sachverhalte in ferner Zukunft auch das BAG beschäftigen.

Ob es dem Gesetzgeber gelingen wird, bestehende Rechts­unsicherheiten zu beseitigen und dabei das Betriebsratsamt attraktiv zu halten, bleibt abzuwarten.



1 So berichtet das Handelsblatt: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/mitbestimmung-bundesregierung-will-betriebsratsverguetung-nun-doch-gesetzlich-regeln/29141168.html.