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Briefing

Grenz­über­schreitende Mobilität für Gesell­schaften

EU-Umgründungs­gesetz stellt grenz­über­schreitende Umgründungen aus und nach Österreich auf neue Beine

Überblick

Die Richtlinie 2019/2121 vom 27. November 2019 zu grenz­über­schreitenden Umwandlungen („Mobilitäts­richtlinie“) vollendete das EU-Company Law Package. Sie konkretisiert Rechte aus der Niederlassungs­freiheit, um die Grund­lagen für eine vereinfachte Mobilität von Gesell­schaften in der EU/EWR zu schaffen, dadurch sowohl Rechts­sicherheit als auch Kosten­effizienz zu steigern und Unter­nehmen langfristig effizienter, wettbewerbs­fähiger und nachhaltiger aufstellen zu können.

Mit etwas Verspätung wurde die Mobilitäts­richtlinie nunmehr auch in Österreich im Rahmen des Gesellschafts­rechtlichen Mobilitäts­gesetzes („GesMobG“) umgesetzt. Kern ist das EU-Umgründungs­gesetz („EU-UmgrG“), das am 1. August 2023 in Kraft treten wird und für Kapital­gesellschaften mit Sitz in verschiedenen EU/EWR-Mitgliedstaaten einen einheitlichen Rahmen für Umgründungen, die sich über die Grenze eines Mitglied­staates hinaus erstrecken, schafft. Enthalten sind im Gesetzestext neben der bisher schon geregelten grenz­über­schreitenden Verschmelzung nunmehr auch die Möglichkeit der grenz­über­schreitenden Umwandlung und Spaltung.

Grenz­über­schreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Umwandlungen werden beispiels­weise genutzt, um Unternehmens­strukturen zu vereinfachen, Produktivitäts­vorteile zu erzielen oder neue Markt­chancen zu ergreifen. Bisher waren solche grenz­über­schreitenden Umgründungs­vorgänge zwar nach der Recht­sprechung des Europäischen Gerichtshofs (Polbud, Centros, Überseering, Sevic Systems, etc) auf Grundlage der Niederlassungs­freiheit in der Theorie möglich, jedoch fehlte mit Blick auf Spaltungen und Umwandlungen bisher ein einheitlicher kodifizierter Rechtsrahmen. Durch fragmentierte, uneinheitliche nationale Regelungen war die Planung und Durchführung von derartigen Vorhaben massiv erschwert und wies einen hohen Komplexitäts­grad auf, was sowohl Kosten und Dauer als auch die Rechts­unsicherheit für die mit dem Unternehmen verbundenen Personen wie Gläubiger, Arbeitnehmer und Aktionäre erhöhte. Durch diesen bürokratischen Aufwand wurden viele Unternehmen bisher davon abgehalten, sich die grenz­überschreitende Mobilität zunutze zu machen und wirtschaftliche Chancen zu nutzen. Mit der Erweiterung der Rechts­grundlagen für grenz­überschreitende Umgründungen von der Verschmelzung um die sitzverlegende Umwandlung und die grenz­überschreitende Spaltung, wurde die praktische Relevanz wesentlich erhöht.

Anwendungs­bereich des EU-UmgrG

Das EU-UmgrG regelt grenz­überschreitende Umgründen von Kapital­gesellschaften mit Sitz in verschiedenen EU/EWR-Mitgliedstaaten. Von der unions­rechtlich eingeräumten Möglichkeit, Personen­gesellschaften in den Anwendungs­bereich der Umsetzungs­regelungen einzubeziehen, hat der österreichische Gesetzgeber nicht Gebrauch gemacht. Nicht vom EU-UmgrG erfasst sind ferner die grenz­überschreitende Spaltung zur Aufnahme sowie Umgründungen von Rechtsträgern mit Sitz in einem Drittstaat.

Das EU-UmgrG soll die bereits existierenden Regelungen zur grenz­überschreitenden Verschmelzung optimieren sowie die grenz­überschreitende Umwandlung und die grenz­überschreitende Spaltung zur Neugründung erstmalig kodifizieren. Eine grenz­überschreitende Umwandlung ist ein Vorgang, durch den eine Gesellschaft ohne Auflösung ihre Rechtsform im Wegzugs­staat in eine Rechtsform des Zuzugs­mitgliedstaats umwandelt und dabei gleichzeitig ihren satzungs­mäßigen Sitz in den Zuzugs­mitgliedstaat verlegt (bspw eine Umwandlung einer österreichischen in eine deutsche GmbH). Eine grenz­überschreitende Verschmelzung liegt vor, wenn eine Gesellschaft ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen unter Ausschluss der Abwicklung auf eine (bereits bestehende oder zu gründende) Gesellschaft überträgt und mindestens zwei der Gesellschaften dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen. Bei grenz­überschreitenden Spaltungen (Abspaltung, Aufspaltung, Ausgliederung) wird Vermögen einer Gesellschaft auf eine andere Auslands­gesellschaft im Wege der Gesamtrechts­nachfolge übertragen. Spaltungen sind im EU-UmgrG nur zur Neugründung vorgesehen – die übernehmende Gesellschaft wird erst im Zuge der Spaltung gegründet. Die in Österreich vorherrschende grenz­überschreitende Spaltung zur Aufnahme – i.e. die übernehmende Gesellschaft besteht bei Spaltung bereits – wurde nicht in das EU-UmgrG aufgenommen. Bei Vorgängen, die dieses Ergebnis herbeiführen sollen, ist die bisherige Praxis einer zweistufigen Umsetzung beizubehalten: zuerst innerstaatliche Spaltung, dann grenz­überschreitende Verschmelzung.

Verfahrens­ablauf: die Schritte zur Umgründung

Die Vorschriften des EU-UmgrG orientieren sich weitgehend an den Verfahren, die im Zusammenhang mit der Europäischen Aktien­gesellschaft (SE) und der grenz­überschreitenden Verschmelzung bereits bekannt sind. Das Grundkonzept für die drei möglichen Formen grenz­überschreitender Mobilität – Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung – besteht übersichtsmäßig aus (i) Plan und Offenlegung, (ii) Bericht, (iii) Prüfung, (iv) Beschluss und (v) Rechtmäßigkeits­kontrolle. Im Detail weisen die Verfahrens­regelungen für die verschiedenen Umgründungs­maßnahmen aber Unterschiede auf.

Nach den Regelungen des EU-UmgrG ist bei allen grenz­überschreitenden Vorhaben zunächst ein Plan (Umwandlungs-, Verschmelzungs- bzw Spaltungsplan) zu erstellen, der die wichtigsten Informationen und Erläuterungen zur neuen Gesellschafts­form sowie zu den wirtschaftlichen und rechtlichen Auswirkungen der Umgründung enthält. Ein unabhängiger Sachverständiger hat diesen Plan zu prüfen (Umwandlungs-, Verschmelzungs- bzw Spaltungsprüfung) und darüber einen Bericht an die Gesellschafter zu erstellen. Spätestens einen Monat vor der Gesellschafter­versammlung, die über das grenzüberschreitende Vorhaben beschließt, ist der Plan beim Firmen­buchgericht offenzulegen.

Die Geschäftsleitungs­organe haben für die Gesellschafter und Arbeitnehmer der an der Umgründungs­maßnahme beteiligten Gesellschaften einen gesonderten Bericht (Umwandlungs-, Verschmelzungs-, bzw Spaltungsbericht) anzufertigen. Dieser muss die rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte bzw. Auswirkungen auf die Arbeitnehmer und auf die künftige Geschäftstätigkeit der Gesellschaft erläutern und begründen. Er ist den Gesellschaftern und Arbeitnehmern grundsätzlich sechs Wochen vor der Beschlussfassung über die Umgründungs­maßnahme zugänglich zu machen. Neu ist, dass die Gesellschaft künftig entscheiden kann, ob sie zwei gesonderte Berichte für Gesellschafter und Arbeitnehmer erstellt oder aber einen einzigen Bericht mit zwei separaten Abschnitten. Für beide Berichte bzw. Berichtsteile gibt es gesonderte Ausnahme­tatbestände für Entbehrlichkeit und Verzicht, die den Aufwand erheblich reduzieren können.

Besteht ein Aufsichtsrat, so hat auch dieser die beabsichtigte Umgründung auf Grundlage des gesonderten Berichts an Gesellschafter und Arbeitnehmer sowie des Sachverständigen­berichts zu prüfen und darüber einen Bericht an die Gesellschafter zu erstellen.

Nachdem die Gesellschafter­versammlungen der beteiligten Gesellschaften dem Vorhaben durch Beschluss zugestimmt haben, erfolgt eine zweistufige Rechtsmäßigkeits­kontrolle: Zunächst überprüft die Behörde des Wegzugsstaates (in Österreich: das Firmenbuch­gericht), ob die Voraussetzungen für die Durchführung des Vorhabens vorliegen, und stellt bei positiver Prüfung eine Vorab­bescheinigung aus. Die Vorab­bescheinigung wird anschließend über das seit 2017 existierende System zur Verknüpfung nationaler Unternehmens­register (Business Register Interconnection System – BRIS) an die Behörde des Zuzugsstaats übermittelt, die die Wirksamkeit der Umgründungs­maßnahme ausschließlich nach nationalem Recht prüft. Liegen alle Voraus­setzungen vor, wird das grenz­überschreitende Vorhaben mit Eintragung in den Registern des Zuzugs­mitgliedstaates (in Österreich: das Firmenbuch) wirksam – mit Ausnahme der Spaltung: Diese wird mit Eintragung der Durchführung bei der übertragenden Gesellschaft wirksam.

Stakeholderschutz

Die Mobilitäts­richtlinie wie auch das EU-UmgrG sind bemüht, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen einer Kapital­gesellschaft, sich im Binnenmarkt frei zu bewegen, und den mit den von der Umgründungs­maßnahme betroffenen Gruppen (Gesellschafter, Gläubiger, Arbeitnehmer) zu schaffen. Zudem unterliegt das grenzüberschreitende Vorhaben einer Missbrauchs­kontrolle durch das Registergericht (siehe soeben). Die Missbrauchs­kontrolle stellt also eine wesentliche inhaltliche Neuerung dar, die künftig bei allen grenz­überschreitenden Umgründungs­arten durch die zuständige Behörde des Wegzugs­mitgliedstaates durchzuführen ist. Durch diese Kontrolle soll verhindert werden, dass grenz­überschreitende Umgründungen zu missbräuchlichen, betrügerischen oder kriminellen Zwecken eingesetzt werden können. Wann ein solcher Missbrauch vorliegt, also die inhaltliche Beurteilung, überlassen die RL und das EU-UmgrG den Gerichten. In den Erläuterungen ist angeführt, dass Missbrauch insbesondere dann anzunehmen sein wird, wenn der Umgründungs­vorgang zur Umgehung der Rechte der Arbeitnehmer, von Sozial­versicherungs­zahlungen, von Steuer­pflichten, von Forderungen anderer Gläubiger oder zu kriminellen Zwecken benutzt wird. Von Missbrauch ist laut Gesetz u.a. auch dann auszugehen, wenn die Gesellschaft als Scheinunternehmen im Firmenbuch eingetragen ist. Als Grundlage für die Beurteilung, ob es sich um ein Schein­unternehmen handelt, soll die gem. § 8 Abs. 10 SBBG im Internet veröffentlichte BMF-Liste der Schein­unternehmen herangezogen werden. Als wie sinnvoll und praktikabel sich dieses Vorgehen und das Ermessen der Behörde in der Praxis erweist, ist fraglich.

Schutz von Minderheits­gesellschaftern

Alle Gesellschafter der sich umwandelnden bzw. übertragenden Gesellschaft, die Widerspruch gegen den Umgründungs­beschluss erklärt haben, haben das Recht ihren Austritt gegen Barabfindung zu verlangen und diese Barabfindung nachträglich innerhalb eines Monats nach dem Umgründungs­beschluss gerichtlich überprüfen zu lassen. Um das Vorhaben nicht (unredlich) blockieren zu können, ist die Anfechtung des Gesellschafter­beschlusses, mit dem die Umgründungs­maßnahme beschlossen wurde, wegen unangemessener Barabfindung ausgeschlossen. Abfindungs­schuldner ist entweder die Gesellschaft selbst oder ein Dritter, der eine Barabfindung angeboten hat. Der Anspruch auf Barabfindung ist mit Eintragung der Umgründung bedingt, wird mit dieser Eintragung fällig und verjährt nach drei Jahren. Die Ausübungs­modalitäten müssen im (Umwandlungs-, Verschmelzungs-, oder Spaltungs-)Plan vorgesehen sein.

Schutz von Gesellschafts­gläubigern und Arbeitnehmern

Umgründungen dürfen auch bei grenz­überschreitenden Vorhaben die Gesellschafts­gläubiger nicht gefährden. Schutzwürdig sind solche Gesellschafts­gläubiger, deren Forderungen vor Offen­legung des Plans entstanden und zum Zeitpunkt der Offen­legung noch nicht fällig geworden sind. Sie können innerhalb von drei Monaten nach Offen­legung des Umgründungs­plans weitergehende Sicherheiten fordern, wenn sie glaubhaft machen, dass die Befriedigung ihrer Forderung durch die Umgründung gefährdet ist und keine angemessenen Sicherheiten angeboten wurden.

Speziell für Arbeitnehmer sind in der Mobilitäts­richtlinie Unterrichtungs- und Anhörungsrechte sowie eine modifizierte Arbeitnehmer­mitbestimmung vorgesehen. Insbesondere soll durch Fortbestand von Mitbestimmungs­rechten sowie Missbrauchs­kontrolle Mitbestimmungs­arbitrage verhindert werden. Für Umgründungen aus Österreich sind dem Betriebsrat bzw. den Arbeitnehmern selbst u.a. Umgründungsplan und -bericht spätestens sechs Wochen vor der Gesellschafter­versammlung zugänglich zu machen. Innerhalb von vier Wochen nach Erhalt dieser Unterlagen kann die Arbeitnehmer­vertretung bzw. die Arbeitnehmer­schaft eine Stellungnahme zum Umgründungs­bericht abgeben. Die im Arbeits­verfassungs­recht verankerten Mitwirkungs­rechte bleiben daneben unberührt bestehen. Bei Umgründungen nach Österreich ist bei Anmeldung zur Eintragung im Firmenbuch der Nachweis zu erbringen, dass die erforderlichen Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern über die Beteiligung der Arbeitnehmer ordnungsgemäß durchgeführt wurden. Erst bei positiver Prüfung u.a. dieses Kriteriums kann die Umgründung eingetragen werden.

Fazit

Nun ist es auch in Österreich so weit: Das EU-UmgrG tritt in Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie mit 1. August 2023 in Kraft. Die neuen Regelungen werden den Unternehmen mehr Flexibilität innerhalb der EU gewähren und führen zu erhöhter Rechts­sicherheit und Kosten­ersparnis. Auch wenn die Mobilitäts­richtlinie ein Meilenstein für die grenz­überschreitende Mobilität ist, verbleiben Regelungs­lücken. So beschränkt sich der Anwendungs­bereich auf Kapital­gesellschaften. Darüber hinaus wird die in Österreich überwiegende Form der Spaltung zur Aufnahme nicht erfasst. Dennoch steht Unternehmen mit dem neuen Rechts­rahmen erstmals ein kodifiziertes Instrumentarium zur effizienten Gestaltung und Umsetzung von Struktur­maßnahmen in der EU zur Verfügung.