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Briefing

Hauptversammlung und Corona

Die Hauptversammlungssaison ist bereits gestartet. Vor dem Hintergrund des Coronavirus (COVID-19) treibt derzeit insbesondere diejenigen Gesellschaften, die ihre Hauptversammlungen für die Monate März, April und Mai vorgesehen haben, die Frage um, ob die Hauptversammlungen ohne Weiteres verschoben werden können und welche praktischen Herausforderungen eine solche Entscheidung nach sich zöge. Kurz hierzu die wichtigsten Punkte:

1. Vertagung der Hauptversammlung

  • Eine Vertagung einer Hauptversammlung ist mit sachlichen Gründen im Unternehmensinteresse, insbesondere zum Schutz der Aktionäre und Mitarbeiter der Gesellschaft, rechtlich zulässig.

  • Dies gilt auch im Hinblick auf eine etwaige Vertagung über den gesetzlich vorgegebenen 8-Monatszeitraum (für Aktiengesellschaften) oder 6-Monatszeitraum (für Europäische Aktiengesellschaften, SEs) hinaus.

  • Dabei ist nicht entscheidend, ob die Vertagung der Hauptversammlung von einer Behörde angeordnet wurde. Solange wie derzeit lediglich eine Empfehlung (und kein formaler Verwaltungsakt) besteht, Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern abzusagen, steht die Entscheidung über die Vertagung der Hauptversammlung im Ermessen des Vorstands, der bei seiner Entscheidung etwa die nachfolgenden Aspekte berücksichtigen könnte:
    • Erwartete Anzahl von Teilnehmern an der Hauptversammlung
    • Gibt es regionale Unterschiede, so dass örtliche Verlegungen (im Einklang mit den Satzungsvorgaben) problemlösend sein könnten
    • Abstimmung mit und Einschätzung der relevanten Gesundheitsbehörden
    • Besteht die Möglichkeit, die Hauptversammlung auf mehrere Räume mit Videoverbindung aufzuteilen, so dass sich nur eine begrenzte Zahl von Personen in einem Raum befindet?

  • In jedem Fall ist der Vorstand verpflichtet, frühzeitig Alternativen zu prüfen, insbesondere auch eine etwaige der Vertagung der Hauptversammlung auf die Sommermonate (in denen anerkannte Virologen davon ausgehen, dass das Infektionsrisiko vermindert ist), und sich mit den zuständigen Gesundheitsämtern abzustimmen.

2. Ausschüttung der Dividende

  • Wird die Hauptversammlung vertagt, führt dies mangels Gewinnverwendungsbeschlusses zwingend auch zu einer verzögerten Ausschüttung der Dividende.

  • Die Möglichkeit einer Interimsdividende besteht – anders als etwa in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Niederlande und Spanien – in Deutschland bei Börsenunternehmen nicht.

  • Sofern die Vertagung der Hauptversammlung mit sachlichen Gründen und im Unternehmensinteresse erfolgt, handelt der Vorstand bei der Vertagung nicht pflichtwidrig. Eine etwaige Haftung für verzögert gezahlte Dividenden oder Reisekosten besteht daher nicht.

  • Dies gilt auch, wenn die Hauptversammlung über den gesetzlich vorgegebenen 8- bzw. 6 -Monatszeitraum hinaus erfolgt.

3. Praktische Implikationen bei Abhalten der Hauptversammlung

  • Sofern sich die Gesellschaft dazu entschließt, die Hauptversammlung wie geplant abzuhalten, empfiehlt es sich, die Aktionäre darauf hinzuweisen, dass eine Teilnahme an den Abstimmungen auch ohne physische Teilnahme (Stimmvertreter oder ggf. je nach Satzungsregelung auch per Briefwahl) möglich ist. Sofern die Satzung es zulässt, sollte auch erwogen werden, die Hauptversammlung, soweit zulässig, online zu übertragen, so dass die Aktionäre die Möglichkeit haben, der Versammlung zu folgen, ohne physisch anwesend sein zu müssen. Dabei wäre im Vorfeld freilich sicherzustellen, dass die Übertragung und die Online-Teilnahme technisch tatsächlich auch darstellbar sind.

  • Um im Falle von Ansteckungen etwaige Ansteckungsketten nachverfolgen zu können, könnte es sich anbieten, den Aktionären bzw. den von diesen Bevollmächtigten nicht – wie üblich – im Versammlungssaal die freie Platzwahl zu überlassen, sondern ihnen bei der Einlasskontrolle feste Plätze zuzuweisen und von ihnen zudem eine Telefonnummer hinterlegen zu lassen. Dadurch wäre gewährleistet, dass bei Bedarf Hauptversammlungsteilnehmer identifiziert und kontaktiert werden könnten. Bei kurzfristig stattfindenden Hauptversammlungen wäre freilich zu prüfen, inwieweit sich die Zuweisung von Plätzen technisch noch bewerkstelligen lässt.

  • In ersten Fällen verhängen die Behörden auch Auflagen, die im Falle der Durchführung der Hauptversammlung erfüllt werden müssen: So verlangen Gesundheitsbehörden von den Gesellschaften mitunter, sog. Selbstauskünfte von den Aktionären einzuholen, worin Aktionäre bestätigen sollen, dass sie (i) sich nicht in den letzten 14 Tagen in einem Risikogebiet für COVID-19 aufgehalten haben und (ii) auch keinen Kontakt zu einer Person hatten, die positiv auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2 getestet wurde.
    • Sofern sich ein Aktionär (oder ein von diesem bevollmächtigter Vertreter) weigern sollte, das unterzeichnete Auskunftsformular abzugeben, kann diesem der Zutritt zur Hauptversammlung verweigert werden. Zwar ist der Ausschluss eines Aktionärs als ultima ratio mit Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur in Ausnahmefällen rechtmäßig, ein derartiger Ausnahmefall wird – vorbehaltlich der Prüfung des Einzelfalls – aber aufgrund der aktuellen Sondersituation und der betreffenden Auflage der Gesundheitsbehörden anzunehmen sein.
    • Sofern der Teilnehmer in der Selbstauskunft angibt, sich in den letzten 14 Tagen in einem Risikogebiet aufgehalten und/oder Kontakt zu einer positiv auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2 getesteten Person gehabt zu haben, ist eine Verweigerung des Zutritts zur Hauptversammlung dieser Person ebenfalls rechtmäßig.
    • Nicht zugelassene Aktionäre (oder bevollmächtigte Vertreter) sollten jedoch auf die Möglichkeit hingewiesen werden, ihr Stimmrecht beim Einlass durch Bevollmächtigung ausüben zu können.

  • Zeigt ein Hauptversammlungsteilnehmer bei der Einlasskontrolle oder während der Hauptversammlung spezifische COVID-19-Symptome (die im Vorfeld der Hauptversammlung mit dem zuständigen Gesundheitsamt abzustimmen sind), sollte durch einen vor Ort befindlichen Arzt beurteilt und dokumentiert werden, ob tatsächlich konkrete Risikoparameter für eine COVID-19-Infektion bestehen. Ist dies der Fall, kann dem Teilnehmer aufgrund des hohen Ansteckungsrisikos der Zutritt zur Hauptversammlung verweigert werden bzw. ein Ausschluss des Teilnehmers erfolgen.